Oper FAUSTA


2007 „FAUSTA – Macht und Ohnmacht Kaiser Konstantins“, Text: Dr. Heiner Martini
Af: Annette Johanson (Fausta), Eva-Maria Günschmann (Helena), Andreas Scheel (Konstantin), Daniel Brenner (Crispus), Juri Zinovenko (Fährmann/Laktanz), Chor des Theaters Trier, Philharmon. Orchester der Stadt Trier, Ltg.: GMD Istvan Denés. Für die szenische Realisation konnte der österreichische Opernregisseur und  Professor am Salzburger Mozarteum, Dr. Hermann Keckeis, gewonnen werden.    

Rezensionen
"Luxemburger Wort", La vie culturelle, 2.6.2007, Wolfgang Stauch-von Quitzow
„… Umso überraschender begegnet die Vielfältigkeit des kompositorischen Geschehens, das Heinz Heckmann der Neufassung seines ursprünglichen Oratotiums verleiht. Eine abwechselnde Dramatik des musikalischen Ausdrucks von traditioneller Opernstruktur bis zum modernen Musical wird in manchmal sogar tänzerischer, dann in lyrischer und schließlich in explodierender Weise präsentiert, was István Dénes mit seinem Orchester überzeugend umsetzt, wobei auch noch der zugeführte Chor in seinen Sendungspassagen die oratorische Seite des Werkes zu kennzeichnen weiß…
… Das Theater Trier eröffnete mit dieser eindrucksvollen Uraufführung seinen Anteil am Luxemburger Kulturhauptstadtjahr 2007 und bot zugleich die musikalische Eröffnung der Museumsausstellung zur umfangreichen Konstantinpräsentationen. Das Publikum geriet am Ende in totale Begeisterung für die Heckmann-Oper und feierte den Komponisten aber ebenso das Quintett der Sänger und den Dirigenten neben den szenischen Akteuren mit minutemlangem stehend dargebrachten Applaus und von Bravorufen und Bravopfiffen begleiteten Ovationen… 

"oper&tanz", Juni 2007, Andreas Hauff
… hier spürte man die atmosphärische Kraft von Heckmanns Musik… Oft erinnert sie an Hindemiths oder Weills Stil der frühen 30er Jahre. … dem Orchester gelang damit die Anknüpfung an das hohe Niveau, das das Trierer Ensemble zuvor bei „Andrea Chénier“ und „Wozzek“ bewies…"


Projektbeschreibung
Einführung in die Uraufführung FAUSTA
Dr. Peter Larsen, Musikdramaturg am Theater der Stadt Trier:
"… Der Komponist Heinz Heckmann hatte  mit dem Autor Heiner Martini auf Anregung der Kath. Akademie in Trier den Plan gefasst, das Familiendrama am kaiserlichen Hof in Konstantins Trier als großangelegtes Musikwerk auszuführen. Damals entstand ein Szenisches Oratorium, das im Rahmen der 2000-Jahrfeier der Stadt Trier zur Uraufführung gelangen sollte. Da jedoch der anvisierte Aufführungsort St. Maximin nicht rechtzeitig fertig gestellt wurde, blieb das Werk unaufgeführt. Das Theater Trier hat mit Antritt von Intendant Gerhard Weber eine Uraufführung der Oper Fausta sofort ins Auge gefasst. Daraufhin unterzog Heinz Heckmann, dessen künstlerischer Werdegang als Komponist sich damals in eine andere Richtung entwickelt hat, das Werk einer grundsätzlichen Änderung und konzipierte die Musik in großen Teilen völlig neu. Was Sie also heute Abend hören, ist also eine erst gerade abgeschlossene Komposition, die letzten Teile sind vor wenigen Wochen fertig geworden.
Worum geht es in der Oper? Um Macht und Ohnmacht Kaiser Konstantins. Der Sohn Kaiser Konstantins und erfolgreiche Feldherr Crispus hatte mit Konstantins Frau Fausta ein Liebesverhältnis, für das er den römischen Gesetzen gemäß in Pula hingerichtet worden ist. Konstantins Mutter Helena kommt über den Tod ihres Lieblingsenkels nicht hinweg und klagt ihrerseits Fausta an, die nicht nur alles gesteht, sondern Rechtfertigungen vorbringt: ihre Einsamkeit in der Ehe mit Konstantin und die langsam gewachsene tiefe Liebe zu Crispus habe schließlich dazu geführt, dass sie die Ehe gebrochen habe. Im Bewusstsein, die Verantwortung auf sich zu nehmen, haben beide auf Milde gehofft. Doch die Vollstreckung des Todesurteils an Crispus, mit dieser Vollstreckung sei alle Hoffnung auf Versöhnung verloren gegangen. Helena fordert nun bei Konstantin gleiches Recht und damit auch die Bestrafung Faustas. Doch Konstantin möchte sie schützen. Er führt an, dass seine Kinder aus dieser Ehe zu Waisen werden würden. Helena lässt dies jedoch nicht gelten. Das von ihm selbst aufgestellte Eherecht fordere jetzt sein Handeln. Helenas Appell führt bei Konstantin zu der Frage, was Recht sei, wodurch es entstehe? Schließlich muss er Helenas Drängen nachgeben, die Staatsräson erfordert es. Verstrickt in seine eigenen Widersprüche und ohnmächtig-mächtig sitzt Konstantin über Fausta zu Gericht und muss sie zum Tode verurteilen. Fausta nimmt die Verdammung gefasst auf und lässt sich von einem Fährmann zu ihrem letzten Weg begleiten. Helena sieht das Recht gewahrt und empfindet Genugtuung. Konstantin dagegen zerbricht innerlich an dem Konflikt, dem er nicht ausweichen konnte.  Der visionäre Anblick der Hingerichteten stürzt ihn in tiefe Verzweiflung. Nun tritt der christliche Philosoph Laktanz auf und vermag durch seinen Ausblick auf die Zukunft Trost zu spenden. Durch Barmherzigkeit wird die Härte des römischen Gesetzes künftig gemildert werden können. Das christliche Menschenbild wird Reue und Vergebung zulassen; ein neues Zeitalter stehe kurz bevor.
Die historisch nur bruchstückhaft kommentierbare Tragödie um Crispus und Fausta aus dem Jahr 326 nach Christus entsteht in der Oper von Heinz Heckmann als Seelendrama neu. Mit berührenden Einblicken in die gegensätzlichen Gefühle, durch die die Protagonisten geleitet werden, stehen die Figuren nicht nur individuell für sich selbst, sondern auch für die weltanschauliche Position, die sie verkörpern. Helena, die First Lady, des Imperiums,  vertritt zunächst unbarmherzig und herrisch das römische Recht, bis sie unter dem Anblick des Kreuzes die Skrupellosigkeit ihres Vorgehens erkennt und den Weg in die Buße sucht. Konstantin, der römische Kaiser, an der Schwelle von antiker Weltordnung und christlichem Ethos, eingekeilt zwischen den Widersprüchen seiner eigenen Gesetzgebung, die er auch auf die eigenen Familienmitglieder anwenden muss. Die Lösung des Dilemmas ist zwar am Ende in Sicht, doch die Einsicht hat Opfer gefordert. Crispus und Fausta müssen sterben, um den Blick dafür zu öffnen, dass der Mensch und seine Würde mehr sein muss, als alle Gesetze und Verordnungen. Fausta schließlich, die lebenshungrige junge Frau, bereut nichts, sondern nimmt die Liebe zu Crispus mit ins Grab – eine erstaunlich selbstbewusste und starke Frau. Schließlich Laktanz, der Kirchenvater, der mit seiner Vision einer humaneren Welt unter dem Kreuz die Augen öffnet, nicht nur Konstantins und Helenas, sondern auch unsere, wenn er fordere, dass Menschenliebe, Vergebung, Reue, Versöhnung mehr Kraft haben müssen, als alle staatlichen und juristischen Reglements und Verabredungen. Recht, das ist sehr viel in einer Gemeinschaft; aber die Liebe ist noch viel mehr.
Heckmanns Musik pendelt in seinem Werk zwischen den Gattungen der Oper und des Oratoriums. Wie eine Gewölbeformation einer großen Brücke wirken die riesenhaften archaisch wirkenden Bögen der acht szenischen Bilder und die sie prägenden musikalischen Abschnitte. Die Deklamation hat einen langen Atem und trägt doch das musikalische Drama über die großen Distanzen. Sie werden zwar kaum echte Dialoge finden. Vieles ist innerer Monolog, auch und gerade wenn sich in innerer Vergegenwärtigung die Figuren begegnen, Helena und Fausta jeweils mit dem Geist des Crispus in Berührung kommen oder Konstantin sich im inneren Zwiegespräch mit dem Mond, der die Mosellandschaft in sanft silbriges Licht taucht, in Gewissensqualen ergeht. Besonders die Chöre scheinen wie aus einer anderen spirituellen Sphäre zu kommen und materialisieren klanglich, was die Handelnden bewegt. Dabei nimmt der Chor nicht selten die Rolle des Chors in der antiken Tragödie ein und kommentiert die Geschehnisse. Die Musik selbst ist stilistisch sehr vielfältig und kann nicht mit einem Satz beschrieben werden. Tonale volksliedhafte Gesänge stehen neben schroffen Akkordschichtungen, die dem Hörer zuweilen wie eine Phalanx römischer Legionäre entgegen zu kommen scheinen. Leere Quart- und Quintklänge suggerieren die Macht des römischen Gesetzes, während hymnische Melodik, die entfernt an gregorianische Gesänge erinnert, die zarteren Passagen aufgleitet. Dazu kommen die vielen bi- und polytonalen Stellen, die auch harmonisch den inneren Konflikt symbolisieren sollen. Es gehört zu Heckmanns Stil, der vielen Trierer Musikfreunden ja schon durch das Requiem Caniceanum und das Oratorium die Vier apokalyptischen Reiter bekannt ist, monumentale musikalische Zeichen zu setzen. Die antiken Denkmäler der Stadt mögen ihn da inspiriert haben. Ganz sicher jedoch das konstantinische Deckengemälde, das unter der Domkirche gefunden wurde. In diesem bruchstückhaft überlieferten Fund findet sich auch das vermutlich Fausta zuzuordnende Bild. Dieses Kunstwerk war Ausgangspunkt für die Oper Fausta. Die Innerlichkeit, mit der die Familientragödie in der Oper Heckmanns behandelt wird, verlangte nach einer szenischen Intimität und gleichzeitig nach einer Raumlösung, die den großen Gesten der Musik etwas entgegen zu setzen hat. Hier hat der Regisseur Hermann Keckeis mit seinem Bühnenbildner Karel Spanhak eine für Musiktheater ungewöhnliche Bühnenform gefunden. Das Orchester befindet sich hinter der Bühne, halb sichtbar, die Spielebene rückt dagegen unmittelbar den Zuschauern entgegen und beginnt direkt, wie beim Schauspiel, vor der ersten Sitzreihe. Auf diese Weise entsteht das Drama unmittelbar vor unseren Augen, ohne die Distanz eines Orchestergrabens in Kauf nehmen zu müssen. Die Bühne selbst erlaubt mit ihren unterschiedlichen Podien und Treppengängen verschiedene Assoziationen. An eine römische Ruinenlandschaft könnte man denken oder auch an einen propyläenähnlichen Aufgang zum kaiserlichen Machtzentrum. Im Mittelpunkt befindet sich ein tiefer Abgrund, der den Eingang zur Unterwelt kennzeichnet. Für alle auf der Bühne anwesenden Personen ist er ständige Bedrohung. Stürzt man in ihn hinein oder kann man sich auf den Stufen und Postamenten der Zivilisation noch halten? Fausta jedenfalls wird gemessenen Schrittes und mit großer Würde die Reise in die gähnende Tiefe beschreiten. Über all dem liegt ein Tuch. Es verhüllt nur äußerlich die unverhüllte Unbarmherzigkeit und wirkt zuweilen wie ein gigantisches Leichentuch oder wie eine Bedeckung längst zerfallener Ruinen in einer nicht mehr lebensfähigen, dem Untergang geweihten Gesellschaftsform. Aber, lassen Sie selbst ihrer Phantasie freien Raum."

 


Mittelbild aus der konstantinischen Deckenmalerei, Bischöfliches Museum Trier

 

 

 

 

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