Zweites Streichquartett
Trierischer Volksfreund, 13.11.1985, Martin Möller
Bemerkenswerte Klarheit, Geschlossenheit, Verständlichkeit
Uraufführung im Trierer Kurfürstlichen Palais: Streichquartett Nr. 2 von Heinz Heckmann
Um das Resumee an den Anfang der Besprechung zu stellen: mit dem Streichquartett Nr. 2 ist Heinz Heckmann ein Werk von bemerkenswerter Klarheit, Geschlossenheit und Verständlichkeit geglückt. Ein absichtsvoller Schematismus in der melodischen Intervallstruktur, manifest etwa in der einleitenden Ganztonleiter, durchbricht jede tonale Systematik. Trotzdem fehlt der Harmonik alles Dumpfe und Zufällige; die Zusammenklänge bleiben aufgrund bitonaler Bildungen und Nonenschichtungen bei großem Ambitus aufgelichtet, ausgehört und durchhörbar. Das wiederum begünstigt die Erkennbarkeit von Stimmenbewegungen, die ihrerseits dem aus der Quartetttradition bekannten Prinzip paarweiser Zuordnung folgen. Die Verständlichkeit dieser rundherum einleuchtenden Musik dient nicht zuletzt einer Formaldisposition, die besonders im zweiteiligen Kopfsatz keinen Zweifel lässt am aneinander heranwachsen der Gruppen an Rückbezügen, an Zielrichtungen. Und ebenso Klarheit zeichnet die übrigen Sätze aus: den Mittelsatz mit seiner modifizierten, das Finale mit seiner offenen Dreiteiligkeit.
Stilistisch steht die Komposition in einer Traditionslinie, die sich auf Hindemith zurückführen lässt. Das manifestiert sich im neoklassischen Einschlag des Oberterz-Kanons, der den Mittelteil des zweiten Satzes bestimmt, und, noch deutlicher, in der Motorik des Finales. Hier klingt eine Eigenart des jungen Hindemith an, die Theodor W. Adorno mit dem französischen Wort „rudesse“ umschrieb, etwas unbekümmert Rauhbeiniges, bewusst Unexpressives.
Strukturell schlägt sich Heckmanns kompositorischer Traditionsbezug vor allem in der Tatsache nieder, dass die Einzelstimmen nachdrücklich Stimmen, also melodische Einheiten, und nicht nur Intervall-Additionen sind. Daraus folgt die große Bedeutung des Kontrapunkts im Satz dieser Komposition. Nicht zuletzt wird eine schon bei Max Reger erkennbare Tendenz offenkundig: dass für die Auffassung des Hörers die Stimmenbewegungen im Vordergrund stehen. Hier wird denn auch jedes verstehende Hören ansetzen müssen.